Medikamenteninduzierte Ulcera

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Dr. med. Thomas Horn¹

Informationen zum Autor

Einleitung

Wunden werden durch vielfältige Ursachen hervorgerufen. Neben Ulcera crurum, diabetischen Wunden und Druck Ulcera gibt es eine breite Palette weiterer Faktoren, die chronische Hautdefekte mit schlechter oder fehlender Abheilungstendenz hervorrufen können. Insbesondere sehr seltene Ursachen führen, wenn sie nicht erkannt sind zu nicht heilenden Wunden, wenn die kausale Ursache durch Unkenntnis nicht beseitigt wird. Auch Medikamente können oral appliziert, aber auch injiziert Ulcera hervorrufen. In der Literatur existieren viele Einzelpublikationen sowie für einige Medikamente auch Übersichtsarbeiten mit kleinen Fallzahlen. Die Datenlage über solche Wunden ist insgesamt sehr eingeschränkt. In einer Expertenbefragung in Deutschland zur Genese des chronischen Ulcus cruris an über 31.000 Patienten wurde die Inzidenz mit medikamenteninduzierter Ulcera mit 1% ermittelt (1).

Definition eines medikamenteninduzierten Ulcus

Medikamenteninduzierten Ulcera treten in zeitlichem Zusammenhang mit der Einnahme eines spezifischen Präparates auf. In der Regel, aber nicht immer heilt der Defekt erst wieder nach dem Absetzen ab. Lokale intensive Wundbehandlungen etc. können dabei zu einer partiellen Befundbesserung führen, nicht aber zu einer Abheilung. Idealerweise erfolgt der Beweis für die medikamentöse Ulcusgenese durch eine bewusste oder häufige akzidentelle Re-Exposition mit erneuter Entstehung eines Hautulcus nach zwischenzeitlicher Abheilung.

Problematik

Viele Patienten sind multimorbide und nehmen zahlreiche Medikamente ein. Eine Differenzierung ist dann oft kaum durchführbar. Einzelne Kasuistiken alleine beweisen daher eine medikamenteninduzierte Pathogenese kaum. Sie können lediglich hinweise auf einen möglichen Zusammenhang geben. Erst die Zusammenschau vieler Fälle ergibt dann den Nachweis eines kausalen Zusammenhangs. Histologische Proben aus Medikamenteninduzierten Ulcera ergeben keine Hinweise auf die Entstehung durch ein Medikament. Vaskulitiden, d. h. entzündliche Vorgänge an kutanen oder subkutanen Gefäßen, Thrombenbildung mit Okklusion von Gefäßen oder weitere Pathomechanismen, die über eine sekundäre Infarzierung zu Hautdefekten führen, können außer durch Medikamente durch vielfältige Ursachen hervorgerufen werden.

Bekannte Beispiele für medikamenteninduzierte Ulcera

Hydroxyurea Hydroxyurea ist ein hydroxyliertes Harnstoff-Derivat und wird seit 1916 als Zytostatikum eingesetzt (2). Nebenwirkungen werden in der Literatur zwischen 10 und 35% angegeben (3). Die Häufigkeit des Auftretens von Hautulcera unter Hydroxyurea-Therapie wird in der Literatur extrem unterschiedlich angegeben. Sie schwankt von weniger als 0,1% (4) bis zu 12% (5).

Möglicherweise gibt es noch krankheitsbezogene Inzidenzunterschiede. Najean und Chaine berichten, dass 8-9% der Patienten mit myelodysplastischen Erkrankungen und 29% von Patienten mit Sichelzellanämie die Hydroxyurea einnahmen Beinulcera entwickelten (6,7). Die Erstbeschreibung erfolgte 1986 im Rahmen einer Langzeittherapie mit Hydroxyurea bei einer chronischen myeloischen Leukämie (8). Hydroxyurea, auch als Hydroxycarbamid bezeichnet, bewirkt eine Inaktivierung der Ribonukleotidreduktase mit Inhibition der zellulären DNA-Synthese und Zelltod in der S-Phase. Es wird daher als Zytostatikum bei Leukämien und myeloproliferativen Erkrankungen eingesetzt. Darüber hinaus ist der Einsatz bekannt bei Sichelzellanämien. Es wurde auch eingesetzt bei der antiretroviralen Behandlung bei HIV-Infektionen. Best e. a. beschreiben 1998 14 eigene Patienten mit Hydroxyurea-induzierten Ulcera aus einer Menge von 115 Patienten mit unterschiedlichen myeloproliferativen Erkrankungen mit der Einnahme von Hydroxyurea. Ihr Durchschnittsalter lag dabei bei 65 (41-74). Regelhaft waren die Ulcera in der Sprunggelenksregion, gelegentlich aber auch über der Tibia, Fußrücken oder am Unterschenkel lokalisiert. Bei 10 Mal am Innenknöchel und 8 Mal am Außenknöchel Auftreten gab es keine Lokalisationspräferenz der extrem schmerzhaften Ulcera. 64% der Patienten hatten multiple Ulcerationen. Die mittlere Kumulativdosis vor der Entwicklung der Ulcera betrug 2,3kg (1,4-5,5kg). Die Dauer der Gabe war im Mittelwert 6,1 Jahre (2-15 Jahre). Die Ulcera heilten bei 12 von 14 Patienten nach Absetzen der Behandlung, bei 2 Patienten war zusätzlich eine Spalthauttransplantation nötig. In einem Fall wurde die Dosis von 1,5 auf 0,5 Hydroxyurea reduziert. Es kam zur Abheilung innerhalb von 5 Monaten. Ein weiterer Patient hatte eine Verbesserung der Reduktion der Therapie von 2 auf 1g, bei erneuter Erhöhung der Dosis auf 2,5 g verschlechterte sich das ursprüngliche Ulcus über 4 Monate und weitere erschienen, so dass die Therapie abgesetzt werden musste (5). Aus dieser und vielen weiteren Literaturstellen geht hervor, dass ein Absetzen der Therapie von Hydroxyurea-induzierten Ulcera erforderlich ist. Die Abheilung erfolgt dann in der Regel langsam, aber spontan.

Die Histologie liefert keine entscheidenden diagnostischen Veränderungen. In der Dermis sind Zellschwellung, Ödeme, Verfettung der Gefäßwände und perivaskuläre lymphozytäre Infiltrationen ohne Vaskulitis erkennbar. Insgesamt entsprechen die Zeichen einer kutanen okklusiven Vaskulopathie. In späteren Stadien werden dermale Fibrosen beschrieben (5).

Die Größe und die Ausdehnung der Ulcerationen korrelieren nicht mit der Menge von Hydroxyurea.

In 2 der 14 Patienten beschreibt Best das wieder Auftreten von Ulcera nach Re-Exposition. Einmal erfolgte die erneute Gabe 3 Jahre später, weitere Monate später traten dann multiple Ulcera an beiden Sprunggelenken auf, die erst 6 Monate nach erneutem Absetzen abheilten. Bei dem zweiten Patienten dauerte der Zeitraum bis zur Entwicklung erneuter kutaner Ulcerationen 4 Monate nach Re-Exposition (5). Somit ist die Genese von Hydroxyurea-induzierten Beinulcerationen gesichert.

Substanz Hydroxyurea
Auftreten Nach einer mehrjährigen Latenz
Lokalisation Vornehmlich malleolar, aber auch andere Lokalisationen
Beschwerden Extreme Schmerzhaftigkeit
Therapie Absetzen des Medikamentes
Abheilung Spontan, aber langsam
Sicherung des Zusammenhanges gesichert

Anagrelid Anagrelid ist ein Imidazoquinazolin, das im Jahr 2005 in Deutschland für die essentiellen Thrombozythämie zugelassen wurde. Die hemmende Wirkung auf die humane Thrombozytenbildung wird über eine Verzögerung der Megakaryozyten Reifung durch Inhibition der zyklischen AMP-Phosphodiesterase III bewirkt. Häufig beschriebene Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Durchfall, Palpitation, Schwächegefühl, Schmerzen, Benommenheit, Bauchschmerzen und Übelkeit. Die überwiegende Zahl der Nebenwirkungen bildet sich jedoch innerhalb mehrerer Wochen zurück (9).

Auf Grund seines exzellenten Sicherheitsprofils hat sich Anagrelid als first-line-Behandlung myeloproliferativen Erkrankungen entwickelt, die mit Thrombozytosen assoziiert sind, einschließlich der primären Thrombozythämie.

Ruiz-Argüelles e.a. beschreiben eine 74-jährigen Patienten, der bereits unter Hydroxyurea (1g/d) ein Bein Ulcus entwickelt hatte, das unter Absetzen innerhalb von 4 Monaten abgeheilt war. 3 Jahre später erhielt der Patient Anagrelid (1g/d), 5 Monate später traten erneut extreme Schmerzen im rechten Außenknöchel auf. Zwei weitere Wochen später entstand ein Ulcus in exakt der gleichen Lokalisation wie das zuvor aufgetretene Hydroxyurea-induzierte Ulcus (10).

Rappoport beschreibt ebenfalls einen Patienten, der nach 3-jähriger Einnahme von 0,5g Hydroxyurea p/d 6 Wochen nach Umstellung auf 1g Anagrelid p/d äußerst schmerzhafte Erytheme im Bereich beider lateralen Sprunggelenke entwickelte, die im weiteren Verlauf exulcerierten. Grundsätzlich konnten diese Ulcera Folge der Langzeiteinnahme von Hydroxyurea sein oder Ausdruck der neu eingeleiteten Therapie mit Anagrelid. Da sie aber erst nach Umsetzen der Therapie auf Hydroxyurea vollständig abheilten besteht somit ebenfalls der Verdacht auf Anagrelid-induzierter Ulcera crurum (9).

Es gibt weitere Berichte über Anagrelid-induzierter Ulcera crurum, aber keine großen Fallzahlen. Somit können auch unter dem Austauschmedikament für Hydroxyurea, nämlich Anagrelid sowohl als first-line, als auch second-line Therapie bei myeloproliferativen Erkrankungen eingesetzt, wie auch bei Hydroxyurea identische Ulcera z. T. sogar in loco (10) entstehen!

Substanz Anagrelid
Auftreten Nach einer mehrmonatigen Latenz
Lokalisation Vornehmlich malleolar
Beschwerden Extreme Schmerzhaftigkeit
Therapie Absetzen des Medikamentes
Abheilung Spontan, aber langsam
Sicherung des Zusammenhanges gesichert

Kumarine Kumarine sind Arzneistoffe, die zur Antikoagulation eingesetzt werden. Wir unterscheiden Phenprocoumon (Marcumar®, Falithrom®, Phenprogamma®, etc.), Warfarin (Coumadin® usw.), und Acenocoumarol (Sintrom®). Daneben gibt es noch Berichte über den Einsatz weiterer Kumarine wie Acoumarol (11).

Alle Kumarine können Haut Ulcerationen hervorrufen.

Die gebräuchlichsten sind Phenprocoumon mit einer Halbwertzeit von 10-14 Tagen und Warfarin mit einer Halbwertszeit von 2 Tagen. Typischerweise erniedrigen Kumarine die Aktivität und Synthese der koagulatorischen Faktoren II, VII, IX, X und inhibieren die Formation von Protein C und S, die beide antikoagulatorisch wirken. Da diese Faktoren aber unterschiedliche Halbwertszeiten haben, kommt es zu einer Imbalance zwischen antikoagulatorischen und prokoagulatorischen Faktoren. Faktor VII und Protein C haben eine kurze Halbwertszeit. Wenn Warfarin initial gegeben wird, geht der Faktor VII und Protein C-Level zuerst nach unten. Faktor IX senkt sich langsamer ab gefolgt von Faktor X, Protein S und schließlich Faktor II. Dadurch kann ein vorübergehend hyperkoaguabler Zustand mit Hemmung der antikoagulatorischen Protein C-Produktion hervorgerufen werden. Bei Individuen mit angeborenem Protein C-Mangel kann diese vorübergehende Hyperkoaguabilität stärker ausgeprägt sein. Patienten mit heterozygotem Protein C-Mangel haben einen niedrigen Level von Protein C und damit ein größeres Risiko ein WISN (Warfarin-induced skin necrosis) unter Behandlung mit Warfarin zu erleiden. Auch andere hyperkoaguable Bedingungen einschließlich Faktor V-Leiden-Mutation, Antithrombin III-Mangel und Lupus Antikoagulans Nachweis sind mit WISN assoziiert. Dagegen sind andere Mängel von Vitamin K wie unter Chemotherapie, Lebererkrankungen, Elimination der Vitamin K-produzierenden intestinalen Flora durch Antibiotika selten ausreichend um alleine ein WISN hervorzurufen, können aber das Risiko bei hyperkoaguablen Patienten erhöhen. Der wahrscheinlichste Mechanismus von WISN ist eine mikrovaskuläre Thrombose, allerdings werden auch Hypersensivitätsreaktionen auf Warfarin und direkte Beschädigung der Kapillaren, die zu Dilatation und Ruptur von Gefäßen führen, als möglicher Pathomechanismus diskutiert. Typische betroffene Patienten sind mittelalte, übergewichtige Frauen, die aufgrund einer tiefen Venenthrombose, pulmonalen Embolie behandelt wurden. Der typische Beginn ist Tag 3- Tag 10 nach Beginn der Warfarin-Therapie, aber es sind auch ein spätes Einsetzen bis 18 Monate, sogar 15 Jahre beschrieben (12). Allerdings sind diese späten Ereignisdaten kritisch zu sehen, da es sich hierbei bei genauerer Literaturdurchsicht auch um ein Absetzen und dann wieder Neueinsetzen des Medikamentes handeln kann (13).

Die Hautnekrosen auf Kumaringabe sind insgesamt selten und treten etwa in einem von 5000 Patienten auf sowie bei etwa 3% von Personen mit Protein C-Mangel. Typischerweise betroffen sind die fettreichen Hautareale wie Brust, Hüften und Beine, sehr selten auch innere Organe wie Nebennieren, Uterus sowie die männlichen Genitale (14).

Obwohl das Auftreten bei der Einleitung von Warfarin beschrieben ist, scheint die Einleitungsphase nur ein Teilfaktor der Genese zu sein. Koduri und Steward beschreiben unabhängig voneinander je eine Patientin, bei der es erst bei der zweiten Einleitung von Warfarin zu Entwicklung von Nekrosen kam (13, 15). Auch das mehrfache zeitlich versetzte auftreten ist beschrieben (15). Die Erstbeschreibung erfolgte durch Flood 1943 unter der Vorstellung einer Thrombophlebitis migrans disseminata mit Ausbildung einer Gangrän an der weiblichen Brust (16).

Vergleich einer Blutung mit einer Nekrose im Patienten, die Kumarin-Therapie erhalten (17)
Blutung Nekrose
Betrifft Männer und Frauen gleichermaßen Weibliche Dominanz
Beginn nicht in Beziehung zum Therapiebeginn Beginn am 3.-6. Tag nach Beginn einer Kumarin-Therapie
Korrektur mit der Gabe von Vitamin K Zunahme trotz Gabe von Vitamin K
Fortsetzung der Kumaringabe verschlechtert die Komplikation Die Fortsetzung der Kumaringabe hat keinen Effekt auf das Ausmaß der Komplikation
Heparin verschlechtert die Komplikation Heparin kann hilfreich sein
Fehlende Nekrosen Vorhandene Nekrose
Chirurgische Eingriffe nicht notwendig Oft chirurgische Eingriffe notwendig

Heparine Allergischen Hautreaktionen oder Hautnekrosen, die auf Heparine oder niedermolekulare Heparine zurückzuführen sind, sind selten aber wahrscheinlich unterschätzt, weil zu wenig berichtet. Die Ätiologie Heparin-induzierter Hautnekrosen ist unbekannt, das Auftreten ist of assoziiert mit HIT-Typ II. Dies ist eine immunologische Reaktion, die zu einer Bindung von Heparin zu Plättchenfaktor 4 (PF-4) führt, der eine Produktion von Heparin-abhängigen IgG, IgM und IgA Antiköpern führt. Erhöhte IgG Antikörper-Titer werden bei Patienten mit Heparin-induzierten Hautläsionen beobachtet, unabhängig, ob sie eine Thrombozytopenie entwickeln. Dies lässt einen immunologischen Mechanismus vermuten (18).

Das breite Spektrum kutaner Reaktionen reicht von erythematös juckenden Arealen über große symptomatischen Plaques bis hin zu Heparin-induzierten Hautnekrosen. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Es handelt sich hier um lokale Nekrosen im Bereich der Applikationsstellen (19). Aber auch Nekrosen außerhalb der Injektionsstellen sind beschrieben (20)! Die Heparin-induzierte Hautnekrose startet zwischen Tag 5 und Tag 10 nach dem Beginn einer intravenösen subkutanen Heparingabe. Ein späterer Beginn bis zum Tag 16 wurde berichtet (20).

Hautnekrosen können sowohl bei Patienten mit unfraktioniertem Heparin als auch Patienten mit LMW-Heparin auftreten (21, 22). Die Nekrosen beginnen mit kleinen erythematösen schmerzhaften Läsionen, die sich später zu nekrotischen Arealen ausbreiten. Histologisch findet man mikrovaskuläre Thromben in kleinen Gefäßen mit minimaler Entzündungsreaktion (21). Kreuzreaktionen zwischen Heparin und niedermolekularem Heparin werden beobachtet (19).

Therapieempfehlung: Das Absetzen der Therapie ist zwingend erforderlich, wenn systemisch allergische Reaktionen auftreten. Die antikoagulatorische Therapie sollte auf Hirudin und/oder Kumarine umgestellt werden. Es sollten entsprechende Hauttests durchgeführt werden. Abhängig von diesen Tests kann dann die antikoagulatorische Therapie abgesetzt oder verändert werden. Alternativ sind die neuen oralen Thrombininhibitoren etc. alternative Behandlungsmethoden.

Substanz Heparine
Heparine Unfraktioniert, auch LMWH, cave Kreuzreaktionen
Zeitliches Auftreten Normalerweise an Tag 5-10 nach Therapiebeginn
Lokalisation An der Injektionsstelle, aber auch außerhalb davon!
Therapie Absetzen des Medikamentes
Abheilung Spontan, aber langsam
Sicherung des Zusammenhanges gesichert

Nicorandil Das Präparat ist eine vasomotorische Substanz zur Behandlung von Angina pectoris und wird in Großbritannien, Australien und vielen europäischen Ländern unter dem Namen Ikorel™, in der Schweiz unter dem Namen Dancor™ und in weiteren außereuropäischen Ländern unter dem Namen Nicoran™, Aprior™, Nitorubin™ und Sigmart™ (laut Wikipedia) vertrieben. Neben den bekannten Nebenwirkungen einschließlich Haut-Flush, Palpitationen, Schwäche, Kopfschmerzen sind Ulcera im Mund, Übelkeit und Erbrechen beschrieben. Zusätzlich wurden perianale, perivulväre und peristomale Ulcerationen wiederholt beschrieben (23, 24, 25). Sie sind sämtlich therapieresistent und ohne Korrelation zu Dosis und Einnahmezeitraum (23). McKenna beschreibt bei einer 73-jährigen Patientin mit einer sich über 11 Monate entwickelnden zunehmenden Ulceration in der Perianalregion die gleichzeitige Entwicklung eines Ulcus cruris an der rechten Tibiavorderkante. Nicorandil war mit 2 Mal 20 mg p/d 2 Jahre vor Beginn der Ulcerationen gegeben worden. Sämtliche Lokalmaßnahmen zur Abheilung scheiterten. Nach Absetzen von Nicorandil kam es zu einer dramatischen und raschen und anhaltenden Verbesserung der Ulcerationen in beiden Lokalisationen (26).

Einzelfallberichte

Für die nachstehend aufgeführten Medikamente ist das Entstehen von Hautulcerationen beschrieben, die in strengem zeitlichem Zusammenhang mit der spezifischen Medikamenteneinnahme erfolgte. Die Abheilung trat erst nach Absetzen der Medikamente ein. Da es sich nur um Einzelberichte handelt und keine Medikamenten-Reexposition mit erneutem Auftreten von Hautulerationen erfolgte, kann der Zusammenhang nur als möglich, aber nicht als gesichert angesehen werden. Eine Ausnahme ist nur der Fall mit Propylthiouracil, aber es handelt sich dennoch um einen Einzelfall.
Diltiazem bekannt als Calciumkanalblocker in der Behandlung von Erkrankungen wie Bluthochdruck, Angina pectoris und einigen Formen kardialer Arrhythmien. Es wird auch als präventives Medikament bei Migräne eingesetzt (27).
Leflunomid wird eingesetzt bei aktiver mäßiger bis schwerer rheumatoider Arthritis und Psoriasis-Arthritis als Pyrimidinsynthese -Inhibitor Arava® (28).
Levamisol (in Deutschland nicht erhältlich!) wurde ursprünglich in den 60 Jahren als Antiemetikum eingesetzt. Im weiteren Verlauf entdeckte man dann immunmodulatorische Effekte und setzte es in der Behandlung des Nephrotischen Syndroms, bei Dickdarmkrebs und rheumatoider Arthritis ein. Inzwischen gibt es weitere Indikationen. Auch hierunter traten schwere kutane Nekrosen auf, die eine Koagulopathie imitierten (29).
Nifedipin (Adalat® e.a.) ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Calciumantagonisten und wird therapeutisch zur Behandlung der arteriellen Hypertonie und des Raynaud-Syndroms eingesetzt. Auch hier existiert eine Einzelfallbeschreibung mit Auftreten von Ulcera an den Unterschenkeln (30).
Weitere Beschreibungen existieren für Propylthiouracil. Propylthiouracil ist ein Thio- Harnstoffderivat und gehört zu der Gruppe der Thyreostatika. Houston beschreibt den Fall einer intermittierenden Behandlung über 13 Jahre, nach Dosiserhöhung auf 50mg entstehen 2 Monate später ein lokaler Ausschlag und Ulcera in einer Ausdehnung von 4 Mal 5 cm im Bereich des linken Sprunggelenks. Nach Absetzen kommt es innerhalb von 5 Monaten spontan zu einer Abheilung. Eine Re-Exposition ergibt 5 Tage später eine identische Reaktion mit lokalem Ausschlag und Ulcera (31).

Diagnostik

Leider existiert kein Labor-Parameter oder ein sonstiger Marker, der uns Hinweise auf medikamenteninduzierte Ulcera gibt. Lediglich beim Nachweis vom Antiphospholipid Antikörpern und beim sogenannten Antiphospholipid-Antikörper-Syndrom treten zahlreiche Hauterscheinungen, unter anderem auch ausgeprägte Ulcera und Ischämien auf. Medikamente, die in dem Zusammenhang mit dem Auftreten dieser Antikörper genannt werden, sind Chlorpromazin, Phenothiazine, Phenytoin, Hydralazin, Procainamid, Streptomycin, etc (32).

Zusammenfassung

Es gibt eine Reihe in der Regel oral zu verabreichender Medikamente, die Ulcera bzw. Nekrosen als in der Regel seltene Nebenwirkung hervorrufen können. Dies kann wie bei den Kumarinen initial in der Einleitungsphase auftreten oder bei anderen Medikamenten wie Hydroxyurea etc. als Kumulativdosis mit großer Schwankungsbreite auftreten. Leider können wir für keines der Medikamente bisher einen exakten Pathomechanismus, eine typische Kumulativdosis oder weitere signifikante Parameter herausarbeiten. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Medikamente, die bei perkutaner Verabreichung Nekrosen hervorrufen können. Hier ist der Zusammenhang anamnestisch aber wesentlich einfacher herzustellen.

Zur Erfassung medikamenteninduzierter Ulcera kann im Rahmen der AG Wundheilung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft bei dem Verfasser (Fax-Nr. +49 2151 32-2005) ein Erhebungsbogen für ein Register für medikamenteninduzierte Wunden angefordert werden. Nur über die Registrierung weiterer möglicher Zusammenhänge von Medikamenteneinnahme und Auftreten von Wunden werden wir valide Daten zum ursächlichen Zusammenhang, zur Pathogenese und weiteren Kriterien wie Kumulativdosen etc. erhalten können.

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